In des Königs Garten, eh das Frühlicht schien, rührte
der Myrtenbaum die Blätter, sagend:
"Ich spüre Morgenwind in meinen Zweigen; ich trinke schon den
süßen Tau:
wann wird Jezerte kommen?"
Und ihm antwortete die Pinie mit Säuseln:
"Am niedern Fenster seh ich sie, des Gärtners Jüngste,
schon durchs zarte Gitter.
Bald tritt sie aus dem Haus, steigt nieder die Stufen zum Quell
und klärt ihr Angesicht,
die Schöne."
Darauf antwortete der Quell:
"Nicht Salböl hat mein Kind, nicht Öl der Rose; es tunkt
sein Haar in meine lichte Schwärze,
mit seinen Händen schöpft es mich. Stille! ich höre
das Liebchen".
Da kam des Gärtners Tochter zum Born, wusch sich und kämmte
sich und flocht ihre Zöpfe.
Und sieh, es traf sich, daß Athmas, der König, aus dem
Palaste ging,
der Morgenkühle zu genießen,
bevor der Tag anbrach; und wandelte den breiten Weg daher auf gelbem
Sand
und wurde der Dirne gewahr,
trat nahe zu und stand betroffen über ihre Schönheit,
begrüßte die Erschrockene und küßt' ihr die Stirn.
Seit diesem war sie Athmas lieb und kam nicht mehr von seiner Seite
Tag und Nacht;
trug köstliche Gewänder von Byssus und Seide,
und war geehrt von den Vettern des Königs,
weil sie sich hold und demütig erwies gegen Große und
Kleine und gab den Armen viel.
Übers Jahr aber wurde Jezerte krank, und half ihr nichts, sie
starb in ihrer Jugend.
Da ließ der König ihr am Garten des Palasts ein Grabgewölbe
bauen,
wo der Quell entsprang,
darüber einen kleinen Tempel, und ließ ihr Bildnis drin
aufstellen aus weißem Marmor,
ihre ganze Gestalt,
wie sie lebte, ein Wunderwerk der Kunst. Den Quell aber hielt das
Volk heilig.
Alle Monden einmal ging der König dahin, um Jezerte zu weinen.
Er redete mit niemand jenen Tag, man durfte nicht Speise noch Trank
vor ihn bringen.
Er hatte aber eine andere Buhle, Naïra; die ward ihm gram darob
und eiferte im stillen mit der Toten;
gedachte, wie sie ihrem Herrn das Andenken an sie verkümmere
und ihm das Bild verderbe.
Sie beschied insgeheim Jedanja zu sich, einen Jüngling, so
dem König diente;
der trug eine heimliche Liebe zu ihr, das war ihr nicht verborgen.
Sie sprach zu ihm:
"Du sollst mir einen Dienst erzeigen, dran ich erkennen will, was
ich an dir habe.
Vernimm. Ich höre von Jezerten immerdar, wie schön sie
gewesen,
so daß ich viel drum gäbe, nur ihr Bildnis zu sehn,
und ob ich zwar das nicht vermag, weil mein Herr es verschworen,
will ich doch eines von ihr sehen,
ihre Hand, davon die Leute rühmen, es sei ihresgleichen nicht
mehr zu finden.
So sollst du mir nun dieses Wunder schaffen und mir vor Augen bringen,
damit ich es glaube."
"Ach, Herrin«, sagte er, "ich will dich selbst hinführen,
daß du Jezerte beschauest, bei Nacht."
"Mitnichten!" antwortete sie: "Wie könnte ich aus dem Palaste
gehen?
Tu, wie ich sagte, Lieber, und stille mein Gelüst."
Und sie verhieß ihm große Gunst, da versprach es der
Knabe.
Auf eine Nacht ersah er die Gelegenheit durch Pforten und Gänge,
und kam zum Grabmal unbeschrien,
denn die Wache stand in den Höfen. Er hatte aber einen künstlichen
Haken,
der öffnete das Schloß,
und wie er eintrat, sah er das Bildnis stehn im Schein der Lampen;
die brannten Tag und Nacht.
Er trat herzu, faßte die eine Hand und brach sie ab, hart
über dem Gelenke,
barg sie in seinen Busen,
eilte und zog die Tür hinter sich zu.
Wie er nun längs der Mauer hinlief, vernahm er ein Geräusch
und deuchte ihm als käme wer.
Da nahm er in der Angst die Hand
und warf sie über die Mauer hinweg in den Garten und floh.
Die Hand fiel aber mitten in ein Veilchenbeet und nahm keinen Schaden.
Alsbald gereuete den Jüngling seine Furcht, denn sie war eitel,
und schlich in den Garten, die Hand wiederzuholen;
er fand sie aber nicht, und suchte bis der Tag anfing zu grauen,
und war wie verblendet.
So machte er sich fort und kam in seine Kammer.
Am andern Morgen, als die Sonne schien, lustwandelte Athmas unter
den Bäumen.
Er kam von ungefähr an jenes Beet und sah die weiße Hand
in den Veilchen
und hob sie auf mit Schrecken,
lief hinweg und es entstand ein großer Lärm durch den
Palast.
Kamen auch alsbald Knechte des Königs und sagten ihm an:
"Wir haben in der Dämmerung Jedanja gesehn durch den Garten
hin fliehen und haben seine Fußstapfen verfolgt."
Darauf ward der Jüngling ergriffen und in das Gefängnis
geworfen.
Naïra mittlerweile bangte nicht, denn sie war keck und sehr
verschlagen.
Berief in der Stille Maani zu sich, Jedanjas Bruder, und sagte:
"Mich jammert dein Bruder, ich möchte ihm wohl heraushelfen,
wenn er den Mut hätte,
zu tun wie ich ihn heiße, und du mir eine Botschaft an ihn
brächtest."
Maani sprach: "Befiehl und nimm mein eigen Leben, daß ich
nur den Knaben errette!"
Da hieß Naïra ihn schnell einen Pfeil herbeiholen.
Sie aber nahm einen Griffel und schrieb der Länge nach auf
den Schaft diese Worte:
"Verlange vor den König und sprich: Jedanja liebte Jezerten
und war von ihr geliebt,
und hängt sein Herz noch an der Toten, also daß er im
blinden Wahn die Übeltat verübte".
"So spreche mein Freund und fürchte nicht, daß ihn das
Wort verderbe. Die dieses rät,
wird alles gutmachen."
Nachdem sie es geschrieben, sagte sie:
"Nimm hin und schieße diesen Pfeil zu Nacht durchs Gitter,
wo dein Bruder liegt im Turm."
Maani ging und richtete es kühnlich aus.
Den andern Tag rief Athmas den Gefangenen vor sich und redete zu
ihm:
"Du hast das nicht von selbst getan. So bekenne denn, wer dich gedungen!"
Der Jüngling sagte: "Herr, niemand."
Und als er Grund und Anlaß nennen sollte seines Frevels, verweigert'
er's und schwieg,
so hart man ihn bedrohte, und mußten ihn die Knechte wieder
wegführen.
Sie schlugen ihn und quälten ihn im Kerker, drei Tage nacheinander,
solchermaßen,
daß er nahe daran schien, zu sterben. Dies litt er aber listigerweise,
der Absicht,
daß er Glauben finden möge, wenn er nunmehr zu reden
selbst begehrte.
Ließ sich also am vierten Morgen, da die Peiniger aufs neue
kamen, zu dem König bringen,
fiel zitternd auf sein Angesicht, schien sprachlos, wie vor großer
Angst und Reue,
bis ihm verheißen ward,
das Leben zu behalten, wofern er die Wahrheit bekenne. Da sagte
er:
"So wisse, Herr! Bevor des Gärtners Tochter meinem Herrn gefiel,
daß er sie für sich selbst erwählte,
war sie von Jedanja geliebt, und sie liebte ihn wieder.
Hernach floh ich hinweg aus Kummer, und kehrte nicht zur Stadt zurück,
bis ich vernahm,
Jezerte sei gestorben. Die ganze Zeit aber habe ich nicht aufgehört,
das Kind zu lieben.
Und da ich jüngst bei Nacht, von Sehnsucht übernommen,
wider dein Gebot in das Gewölbe ging und sah das Bild, trieb
mich unsinniges Verlangen, den Raub zu begehn."
Der König hatte sich entfärbt bei dieser Rede und stand
verworren eine Zeitlang in Gedanken;
dann hieß er die Diener Jedanja freilassen, denn er zweifelte
nicht mehr,
daß dieser wahr gesprochen.
Doch befahl er dem Jüngling und allen, die jetzo zugegen gewesen,
bei Todesstrafe,
nicht zu reden von der Sache.
Athmas war aber fortan sehr bekümmert, denn er dachte, Jezerte
habe ihm gelogen,
da sie ihm schwur, sie habe keinen Mann gekannt, bis sie der König
gefunden;
also daß er nicht wußte, sollte er die Tote ferner lieben
oder hassen.
Einstmals, da Naïra sich bei ihm befand wie gewöhnlich,
erblickte sie an seinem Sitz
ein Kästchen von dunklem Holz, mit Perlen und Steinen geziert.
Daran verweilten ihre Augen, bis Athmas es bemerkte und ihr winkte,
das Kästchen zu öffnen. Sie lief und hob den Deckel auf,
da lag Jezertes Hand darin auf einem Kissen.
Sie sah dieselbe mit Verwunderung an und pries sie laut mit vielem
Wesen vor dem König.
Und er, indem er selber einen Blick hintat, sprach ohne Arg:
"Schaut sie nicht traurig her, gleich einer Taube in der Fremde?
Siehe, es war ein weißes Taubenpaar, nun hat der Wind die
eine verstürmt von ihrer Hälfte weg.
Ich will, daß sie der Grieche wieder mit dem Leib zusammenfüge."
Diese Rede empfand Naïra sehr übel. Sie fing aber an,
mit falschen Worten ihren Herrn zu trösten
und sagte arglistig dabei, Jezerte möge wohl vor Gram um ihren
Knaben
krank geworden und gestorben sein.
Hiermit empörte sie des Königes Herz und schaffte sich
selbst keinen Vorteil,
vielmehr ward er mißtrauisch gegen sie.
Er ging und sprach bei sich: Sollte es sein, wie dies Weib mir sagt,
so will ich doch nimmer das Bildnis vertilgen.
Wann jetzt die Zeit der heiligen fünf Nächte kommt, will
ich's versenken in das Meer,
nicht allzu fern der Stadt.
Es sollen sich ergötzen an seiner Schönheit holde Geister
in der Tiefe,
und der Mond mit täuschendem Schein wird es vom Grund heraufheben.
Dann werden die Schiffer dies Trugbild sehn und werden sich des
Anblicks freuen.
Nicht lang hernach, da der König vor solchen Gedanken nicht
schlief,
erhob er sich von seinem Lager und ging nach dem Grabmal, sah das
Bild,
daran das abgebrochene Glied vom Künstler mit einer goldenen
Spange wieder wohlbefestigt war,
daß niemand einen Mangel hätte finden können, der
es nicht wußte.
Er kniete nieder, abgewendet von Jezerte, mit dem Gesicht gegen
die Wand,
und flehte Gott um ein gewisses Zeichen, ob das Kind unschuldig
war oder nicht;
wo nicht, so wollt er Jezerte vergessen von Stund an.
Er hatte aber kaum gebetet, so ward der ganze Raum von süßem
Duft erfüllt,
als von Veilchen; als hätte Jezertes Hand von jenem Gartenbeet
allen Wohlgeruch an sich genommen
und jetzo von sich gelassen mit eins.
Da wußte Athmas gewiß, sie sei ohne Tadel, wie er und
jedermann sie immerdar gehalten;
sprang auf, benetzte ihre Hand mit Tränen und dankte seinem
Gott.
Zugleich gelobte er ein großes Opfer, und ein zweites mit
reichen Gaben an das arme Volk,
wenn ihm der Täter geoffenbart würde.
Und sieh, den andern Morgen erschien Naïra zur gewohnten Stunde
nicht in des Königs Gemächern,
und ließ ihm sagen, sie sei krank, er möge auch nicht
kommen, sie zu besuchen.
Sie lag im Bette, weinte sehr vor ihren Frauen und tobte, stieß
Verwünschungen aus
und sagte nicht, was mit ihr sei; auch schickte sie den Arzt mit
Zorn von sich.
Da sie nach einer Weile stiller geworden, rief sie herzu ihre Vertrauteste
und wies ihr dar ihre rechte Hand,
die war ganz schwarz, wie schwarzes Leder, bis an das Gelenk.
Und sprach mit Lachen zu der ganz entsetzten Frau:
"Diesmal wenn du nicht weißt zu schmeicheln und ein Bedenken
hast, zu sagen,
sie ist viel weißer als das Elfenbein, und zärter als
ein Lotosblatt,
will ich dir nicht feind sein!"
Dann weinte sie von neuem, besann sich und sagte mit Hast:
"Nimm allen meinen Schmuck, Kleider und Gold zusammen, und schaffe,
daß wir heute in der Nacht entkommen aus dem Schloß!
Ich will aus diesem Lande."
Das letzte Wort war ihr noch nicht vom Munde,
da tat sich in der Wand dem Bette gegenüber eine Tür auf
ohne Geräusch,
die war bis diese Stunde für jedermann verborgen,
und durch sie trat der König ein in das Gemach.
In ihrem Schrecken hielt Naïra beide Hände vors Gesicht,
alsdann fuhr sie zurück und barg sich in die Kissen.
Er aber rief: "Bei meinem Haupt,
ich wollte, daß meine Augen dieses nicht gesehen hätten!"
So zornig er auch schien, man konnte doch wohl merken,
daß es ihm leid tat um das Weib.
Er ging indes, wie er gekommen war, und sagte es den Fürsten,
seinen Räten,
an, alles, wie es gegangen.
Diese verwunderten siech höflich, und einer, Eldad,
welcher ihm der nächste Vetter war, frug ihn:
"Was will mein Herr, daß Naïra geschehe, und was dem
Buben,
den du losgelassen hattest?"
Der König sagte: "Verbannet sei die Lügnerin an einen
wüsten Ort.
Ihr Blut begehre ich nicht; sie hat den Tod an der Hand.
Jedanja mögt ihr fangen und verwahren."
Es war aber im Meer, zwo Meilen von dem Strand, an dem die Stadt
gelegen,
eine Insel, von Menschen nicht bewohnt, nur Felsen und Bäume.
Dahin beschloß Eldad sie bringen zu lassen; denn beide hatten
sich immer gehaßt.
Als ihr nun das verraten ward, obwohl es annoch geheim bleiben sollte,
sprach sie sogleich zu ihren Frauen.
"Nicht anderes hat er im Sinn, denn daß ich dort umkomme.
Ihr werdet Naïra nicht sehen von dieser Insel wiederkehren."
Fortan hielt sie sich still und trachtete auf keine Weise dem zu
entgehn,
das ihrer wartete.
Sie machte sich vielmehr bereit zur Reise auf den andern Morgen.
Denn schon war bestellt, daß ein Fahrzeug drei Stunden vor
Tag
sie an der hintern Pforte des Palasts empfange.
Und als sie in der Frühe völlig fertig war und angetan
mit einem langen Schleier,
und schaute durchs Fenster herab in die Gärten, da der Mond
hell hineinschien,
sprach sie auf einmal zu den Frauen:
"Hört, was ich jetzo dachte, indem ich also stand und mir mein
ganz Elend vor Augen war.
Ich sagte bei mir selbst: du möchtest dies ja wohl erdulden
alles,
die Schmach, den Bann und den Tod,
wenn du nicht müßtest mit dir nehmen das böse Mal
an deiner Hand;
denn es grauete mir vor mir selbst. In meinem Herzen sprach es da:
Wenn du die Hand eintauchtest in Jezertes Quell beim Tempel, mit
Bitten,
daß sie dir vergebe, da wärest du rein. -
Wer ginge nun gleich zu dem Hauptmann der Wache,
daß er den Fürsten bitte, mir so viel zu gestatten?"
Und eine der Frauen lief alsbald. Der Hauptmann aber wollte nicht.
Naïra sagte: "So gehe du selbst an den Quell, es wird dir niemand
wehren,
und tauche dieses Tuch hinein und bring es mir."
Doch keine traute sich, ihr diesen Liebesdienst zu tun. Naïra
rief und sah auf ihre Hand:
"O wenn Jezertes Gottheit wollte, ein kleiner Vogel machte sich
auf
und striche seinen Flügel durch das Wasser und käme ans
Fenster, daß ich ihn berühre!"
Dies aber mochte nicht geschehn; und kamen jetzt die Leute, Naïra
abzuholen.
Sie fuhr auf einem schlechten Boot, mit zween Schergen und acht
Ruderknechten,
schnell dahin; saß auf der mittlern Bank allein, gefesselt;
zu ihren Füßen etwas Vorrat an Speisen und Getränk,
nicht genug für fünf Tage. Und saß da still, in
dichte Schleier eingewickelt,
daß die Blicke der Männer sie nicht beleidigten, auch
daß sie selbst nicht sehen mußte;
und war, als schiffte sie schon jetzo unter den Schatten.
Bei jenem Eiland als sie angekommen waren, lösten die Begleiter
ihre Bande
und halfen ihr aussteigen;
setzten drei Krüge und einen Korb mit Brot und Früchten
auf den Stein
und stießen wieder ab ungesäumt.
Die Männer behielten den Ort im Gesicht auf der Heimfahrt,
solange sie vermochten,
und sahen die Frau verhüllt dort sitzen, im Anfang ganz allein,
so wie sie dieselbe verlassen,
darnach aber gewahrten sie eine andere Frauengestalt, in weißen
Gewändern,
sitzend neben ihr.
Da hielten die Ruderer inne mit Rudern, und die Schergen berieten
sich untereinander,
ob man nicht umkehren solle. Der eine aber sagte:
"Es gehet nicht natürlich zu, es ist ein Geist. Fahrt immer
eilig zu,
daß man's dem Fürsten anzeige."
So taten sie und meldeten's Eldad; der aber verlachte und schalt
sie sehr.
Jedanja unterdessen, nachdem er zeitig innegeworden,
daß möchte seine Unwahrheit an Tag gekommen sein,
hatte sich außer den Mauern der Stadt, unter dem Dach einer
Tenne, versteckt.
Und seine Brüder verkündigten ihm, Naïra sei heut
nach dem Felsen gebracht.
Alsbald verschwor er sich mit ihnen und etlichen Freunden, sie zu
befrein,
und wenn es alle den Hals kosten sollte.
Um Mitternacht bestiegen sie ein kleines Segelschiff, sechs rüstige
Gesellen, mit Waffen wohlversehen.
Sie mußten aber einen großen Umweg nehmen,
weil Wächter waren am Strand verteilt und weithin hohes Felsgestad,
da kein Schiff an- und abgehen konnte.
Dennoch am Abend des zweiten Tags, nach Ankunft der Naïra auf
der Insel,
erreichten sie dieselbige und erkannten bald den rechten Landungsplatz;
sahen allda die Krüge und den Korb und fanden alles unberührt.
Es überkam Jedanja große Angst um das Weib, das er liebte.
Und suchten lang nach ihr und fanden sie zuletzt auf einem schönen
Hügel
unter einem Palmbaum liegen, tot;
der Schleier über ihr Gesicht mit Fleiß gelegt, die Hände
bloß
und alle beide weiß wie der Schnee.
Da kamen die Jünglinge bald überein,
es sollten ihrer vier auf gradem Weg zur Stadt zurücksteuern,
derweil zwei andere bei der Leiche blieben.
Jedanja selber wollte sich freiwillig vor den König stellen,
ihm alles redlich zu gestehn und zu berichten,
denn er kannte ihn für gut und großmütig und wußte
wohl,
es sei mit seinem Willen nicht also verfahren gegen Naïra.
Auch kam er glücklich vor Athmas zu stehen, obwohl Eldad es
verhindern wollte.
Wie nun der König alle diese Dinge, teils von dem Jüngling,
teils von andern,
aus dem Grund erforscht,
auch jetzt erfahren hatte, was die Männer auf dem Boot gesehen,
daraus er wohl merkte,
Jezerte sei mit Naïra gewesen, da war er auf das äußerste
bestürzt
und so entrüstet über seinen Vetter,
daß er ihn weg für immer jagte von dem Hof.
Zugleich verordnete der König, Naïra auf der Insel mit
Ehren zu bestatten,
ließ die Wildnis lichten und Gärten anlegen. In deren
Mitte auf dem Hügel,
erbaute man das Grab, bei dem Palmbaum, wo sie verschieden war.
|