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Andersen,
Hans Christian (1805-1875)
Das hässliche Entlein
Es war einmal eine Entenmutter die gerade ihre Eier ausbrütete.
Es waren genau sieben Eier in ihrem Nest und die Entenmutter freute sich
schon sehr auf ihren Nachwuchs. Eines Tages war es endlich soweit und aus
den Eiern entschlüpften sechs putzmuntere Entlein. Sie waren alle
wunderschön und mit einem gelben, zarten Federflaum versehen. Nur
das siebte Ei lag noch immer unversehrt in ihrem Nest. Es war größer
als die anderen Eier und so sehr die Entenmutter auch darüber nachdachte,
konnte sie sich nicht erinnern wann sie es eigentlich gelegt hatte? Gerade
als sich die Entenmutter mal wieder mit diesen Gedanken beschäftigt
hatte, zerbarst das letzte Ei und heraus kam ein graues Entenküken
das seine Mutter verwundert ansah. Die Tage vergingen wie im Flug.
Die sechs Entenkinder wuchsen schnell heran und lernten jeden tag etwas
neues. Nur das letzte und siebente Entlein bereitete ihr Sorgen. Es war
nicht nur unbeholfen und tollpatschig, sondern zudem auch noch sehr hässlich.
Die Tiere auf dem Bauernhof verspotteten das graue Entlein und niemand
wollte mit ihm spielen. Auch der Entenmutter bereitete es große Sorgen
und traurig jammerte sie: "Alle meine Kinder sind so hübsch und klug,
nur das letzte Entlein ist so hässlich geraten. Niemand will etwas
mit ihm zu tun haben und selbst die anderen Tiere meiden es." Dennoch hatte
die Entenmutter auch dieses Entlein sehr lieb und so versuchte sie es immer
wieder zu trösten. Dann sprach sie zu ihm und fragte es traurig: "Mein
kleines armes Entlein, warum bist du nicht wie deine Geschwister? Warum
kannst du nicht so sein wie sie?" Doch auf diese Frage wusste niemand eine
Antwort. Weder die Geschwister, noch die Mutter und schon gar nicht das
hässliche Entlein selbst. Auch dem kleinen hässlichen Entlein
war es nicht entgangen das es anders als seine Geschwister war und niemand
auf dem Bauernhof etwas mit ihm zu tun haben wollte. Es fühlte sich
einsam, traurig und alleine gelassen. Nachts wenn seine Geschwister und
all die anderen Tiere auf dem Bauernhof friedlich schliefen, weinte das
kleine Entlein heimlich vor sich hin und fand keinen Schlaf. Die Wochen
und Monate vergingen und seine Einsamkeit wurde ebenso größer
wie das Gespött der anderen Tiere auf dem Bauernhof. Eines Morgens,
das kleine Entlein hatte wieder einmal die ganze Nacht geweint, entschloss
es sich, einfach davon zu laufen. Es konnte den Spott und die Häme
der anderen nicht mehr ertragen.
Auf dem Bauernhof schliefen noch die Tiere und das kleine Entlein
machte sich auf den Weg. Es dauerte nicht lange und es erreichte nach einiger
Zeit einen kleinen Weiher, auf dem gerade stolz und erhaben zwei Schwäne
schwammen. So sehr es sich das kleine Entlein auch gewünscht hatte,
aber auch die beiden Schwäne wussten keine Antwort darauf, warum es
so hässlich war? Traurig watschelte es weiter, während ihm die
beiden Schwäne noch eine Warnung vor den Jägern mit auf den Weg
gaben, die gerade rund um das Gewässer in früher Morgenstunde
Stellung bezogen hatten. Traurig watschelte es weiter und erreichte bald
darauf einen See. Die Sonne stand jetzt bereits etwas höher, Vögel
zwitscherten und am Ufer beäugten einige Rehe misstrauisch das hässliche
Entlein. Am See befragte das kleine Entlein alle Tiere, ob sie schon jemals
etwas von einem Entlein mit graue Federn gehört hatten? Doch
wo es auch fragte, alle gaben dem Entlein die gleiche Antwort: "Nein, wir
haben davon noch nie etwas gehört und noch nie ein Entlein gesehen,
das hässlicher war als du!" Da kullerten dem kleinen Entenkind ein
paar dicke Tränen das Gesicht herunter und traurig schluchzend ging
es weiter, bis es schließlich das kleine Häuschen einer alten
Bäuerin erreichte. Sie war schon sehr betagt und auch ihre Augen
waren nicht mehr die besten, und so war es nicht weiter verwunderlich,
das die alte Frau das kleine Entlein für eine Gans hielt. Während
sie nach dem Entlein griff, murmelte sie leise vor sich hin und sprach
zu sich selbst: "Hmm, Gänseeier sind etwas feines. Am besten, ich
sperr dich gleich einmal in einen Käfig." Von nun an, kam jeden morgen
die alte Bäuerin zu dem Entlein um nachzuschauen ob es bereits frische
Gänseeier gelegt hatte. Doch so oft die alte Bäuerin auch nachschaute,
das kleine Entlein legte einfach keine Eier. Auch den anderen Tieren auf
dem kleinen Bauernhof war der neue Gast nicht entgangen. Das huhn der Bäuerin
warnte das kleine Entlein bereits und sagt: "Seh nur zu das du endlich
Eier legst, sonst wird die Alte dich am Ende womöglich noch schlachten
und du landest als Gänsebraten auf ihrem Mittagstisch!" Die Hauskatze
lästerte feindlich fauchend: "Hoffentlich landest du bald in der Bratenröhre,
denn so etwas hässliches ist mir noch nie untergekommen!" Da wurde
dem kleinen Entlein erst recht Angst und Bange ums Herz, zumal die die
Alte seit einigen Tagen angefangen hatte es zu mästen, damit es dick,
groß und fett werden würde. Voller Verzweiflung dachte das kleine
Entlein darüber nach, wie es seinem Schicksal wohl noch entrinnen
konnte? Eines Nachts, die Bäuerin hatte versehentlich die Käfigtür
offengelassen, entschloss sich daher das kleine Entlein zur Flucht! Es
rannte so schnell und weit, wie es seine kleinen Kräfte nur erlaubten
und als der Morgen graute, erreichte es ein dickes Schilfdickicht, das
an einem wunderschönen See gelegen war. Darin versteckte es sich und
kam langsam wieder zur Ruhe. Es dauerte einige Tage und das kleine Entlein
richtete es sich in dem dicken Schilfgürtel des Sees ein. Hier war
es gut versteckt, niemand konnte es sehen und auch Nahrung war im Überfluss
vorhanden. Doch so sehr es hier auch geschützt war, mit jedem Tag
schmerzte die Einsamkeit etwas mehr und traurig sprach es zu sich selber:
"Wenn mich schon niemand lieb haben will, dann bleibe ich einfach hier
in meinem Versteck, wo man mir wenigsten nichts antun kann!".
So vergingen die Tage und Wochen und auch unser kleines Entlein hatte
endlich etwas Frieden gefunden. An einem herrlichen Spätsommertag
genoss das kleine Entlein die letzten wärmenden Sonnenstrahlen und
blickte zum Himmel, wo gerade einen Schwarm weißer Vögel majestätisch
vorüberziehen sah. Mit ihren gelben Schnäbeln und den langen
schmalen Hälsen sahen sie wunderschön aus und das kleine Entlein
seufzte traurig: "Einmal, nur ein einziges mal möchte ich auch so
schön sein! Dann haben mich bestimmt auch all die anderen Tiere einmal
richtig lieb!" Voller Sehnsucht und Wehmut blickte es den stolzen und erhabenen
Vögeln nach, bis diese am fernen Horizont verschwunden waren. Während
das kleine Entlein noch oft an die stolzen Vögel denken musste, vergingen
die Tage und die Nahrung im Schilf wurde immer weniger. Der Winter war
über das Land gekommen und eines Morgens war auch der See mit dem
Schilfgürtel zugefroren. Traurig, einsam und hungrig verließ
das kleine Entlein sein Versteck um nach Nahrung zu suchen. Doch inzwischen
war es durch den lang andauerten Hunger so geschwächt, das es entkräftet
zu Boden sank und im Schnee einfach liegen blieb. Doch es hatte Glück!
Kurz darauf kam ein Bauer vorbei und als er das arme, halb verhungerte
Tier fand, hatte er Mitleid und sagte sich: "Dich werde ich mitnehmen.
Du bist ja bereits halb erfroren und meine Kinder werden dich bestimmt
aufpäppeln und sich über dich freuen!" Kurz darauf steckte der
gute Mann das kleine Entlein auch schon in seine Tasche und nahm es mit
nach Hause. Die Kinder des Bauern kümmerten sich liebevoll um das
kleine Entlein und freuten sich mit jeden Tag aufs neue, als sie sahen
wie das Entlein langsam wieder zu Kräften kam und größer
wurde. Gut gepflegt, gefüttert und in der Wärme des Bauernhof
konnte das Entlein den Winter überleben. Im Frühling war das
Entlein bereits so groß geworden, das der Bauer es wieder zurück
ins Schilfdickicht brachte. Glücklich und zufrieden sprang es voller
Freude ins Wasser und breitete seine Flügel aus. Es genoss die warmen
Frühlingsstrahlen der Sonne und steckte voller Übermut seinen
Kopf in das klare Wasser des Sees. Als es den Kopf wieder hoch hob und
auf das Wasser blickte, hielt es erstaunt inne: "Bin ich das wirklich?
Warum habe ich mich so verändert?" Denn was das ehemals kleine, hässliche
Entlein jetzt sah, war das Spiegelbild von sich selbst. Das Spiegelbild
eines stolzen und wunderschönen Schwan! Es dauerte auch nicht lange
und auch die Schwäne aus dem Süden kehrten an ihren geliebten
See zurück. Schüchtern und immer noch etwas ängstlich
näherte sich das kleine Entlein den Schwänen und als diese das
kleine Entlein bemerkten, nahmen sie es in ihrer Mitte auf und sprachen:
"Wir sind Schwäne und du bist einer von uns! Wo hast du nur in all
der Zeit gesteckt?" Mit großen erstaunten aber glücklichen Augen
blickte der junge Schwan zu seine neuen Kameraden und murmelte: "Das ist
eine lange und aufregende Geschichte!"
Von diesem Tage an schwamm der junge Schwan mit all den anderen Schwänen
auf dem See und war sehr glücklich und auch die Kinder die ihn im
Winter so liebevoll gepflegt hatten standen eines Tages plötzlich
am See und riefen voller Freude: "Schaut nur, schaut nur! Dort ist unser
kleiner Schwan! Seht nur wie schön er geworden ist! Er ist wirklich
der schönste von allen!"
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