Jahrtausendelang lebten die
Menschen nach dem Rhythmus, den ihnen Erde, Sonne und Natur vorgaben und
nach ihrer "inneren Uhr".
Seit zwei- bis dreihundert Jahren haben wir
uns mit künstlichem Licht davon befreit; etwa gleichzeitig haben wir
es einem Instrument, der Uhr, übergeben, unseren "Lebenstakt"
zu schlagen. Immer mehr bestimmt sie unser Leben. "Tickst du noch ganz
richtig?" fragt man sich, wenn man verschlafen hat, den Wecker
überhört hat. Diese Empfindung ist nicht etwa "altmodisch";
sie ist biologisch. Die Biologie nämlich hat ihre eigene Zeit, auch
unsere Biologie. Wenn wir viel zu früh aufstehen, mittags ohne Pause
durcharbeiten müssen, abends erst los zum Dienst, dann empfinden wir
oft genug die Uhrenzeit als "falsch". Denn
bei aller Exaktheit und technischer Raffinesse kann auch der modernste
Zeitmesser
nicht über die Tatsache nicht hinwegsehen, daß unsere
innere Uhr anders läuft. Sie "tickt" erwiesenermaßen unabhängig
von Uhrzeigern, anders als die objektive Zeit.
Mit dem Thema "Innere Uhr" und der zeitlichen
Organisation von Organismen befasst sich eine relativ junge Wissenschaft:
die Chronobiologie (gr. chrónos "Zeit"; Biologie
= Lehre von der belebten Natur). Sie begann in den 60er- und 70er-Jahren
des 20. Jahrhunderts systematisch zu untersuchen, was unserem Körper
und damit unserem Geist den zeitlichen Rhythmus schlägt. (Dabei sind
biologische Rhythmen empirisch, physiologisch und molekularbiologisch
unterlegte Phänomene und vom populärwissenschaftlichen "Biorhythmus" zu unterscheiden!).
Ein Versuch ergab: Abgeschottet von äußeren
Einflüssen (u.a . ohne Tageslicht, ohne jeden Hinweis auf äußere
Zeitrhythmen) stellte sich nach einiger Zeit ein konstanter Wach-Schlaf-Rhythmus
von im Mittel etwa 25 Stunden ein. Man bezeichnet ihn als "
circadianen Rhythmus" (von lat. circa, ungefähr, und dies, Tag) im
Gegensatz zur "endogenen Rhythmik" Tagesrythmus, biologische
Uhr).
Ein weiterer interessanter, chronobiologischer
Vesuchsansatz war die veränderte Altersstruktur unserer Gesellschaft.
Bei Babys überwiegt noch das ultradiane System – kurze Aktivitätsphasen
wechseln mit Schlafphasen ab – bis das circadiane System sich soweit entwickelt
hat, die Führung übernehmen zu können. Es gibt inzwischen
aber auch Untersuchungen über den Zusammenhang von Arzneimittelwirkung
und Tagesrhythmen - in der Chronopharmakologie.
Man weiß also, daß uns lange vor
der äußeren eine innere Uhr steuert. Die innere Uhr lässt
sich durch die äußere nicht ausschalten, aber justieren. In
welchem Rhythmus diese Uhr tickt, ist im Erbgut festgelegt und ein "Umerziehen"
ist so gut wie ausgeschlossen. Innerhalb eines 24-Stunden-Tages sind die
Phasen maximaler und minimaler Leistungsfähigkeit je nach Typus unterschiedlich
verteilt. Manche haben einen 22 Stunden Rhythmus, andere beenden ihren
Tag erst nach 30 Stunden, ganz so wie es die "Uhr-Gene" im Erbgut gerne
hätten. Vereinfachend kann zwischen einem Morgentyp
(Lerche) und einem Abendtyp
(Eule) unterschieden werden. Der Morgentyp (zum Beispiel ein Frühaufsteher)
ist bereits früh am Morgen fit und leistungsfähig, der Abendtyp
entwickelt unter anderem als Nachtschwärmer (auch Nachtmensch) zu
fortgeschrittener Abendzeit nochmals ein Aktivitätsmaximum. Das bedeutet
aber, dass ein großer Teil der Bevölkerung ständig 'wider'
ihre Anlagen lebt. Bei Jugendlichen, die während der Pubertät
tendenziell alle "Abendtypen" sind, konnte beispielsweise nachgewiesen
werden, dass eine Verschiebung des Schulbeginns um eine Stunde – besonders
im Winter - zu allgemeiner Leistungsverbesserung und besserem Gesundheitszustand
führte. Neben dieser Unterteilung in Morgen- und Abendtyp ist auch
zu beobachten, dass es die Kurz- und die Langschläfer gibt, mit allen
möglichen Kombinationen aus diesen verschiedenen Typen, und daneben
Menschen mit der Unfähigkeit, ihren Schlaf mit dem Tageslicht zu synchronisieren.
Die innere Uhr steuert zwar vor allem Schlafen
und Wachen, aber darüber hinaus noch eine Vielzahl anderer körperlicher
und psychischer Vorgänge – vom Blutdruck bis zur Schmerzwahrnehmung,
von der Stimmung bis zur Konzentration. Im Verlauf von 24 Stunden erleben
wir mehrere Hochs und Tiefs, die wir nur in relativ engen Grenzen durch
Willenskraft überwinden können. Heute aber wird der Zeitrhythmus
stark von der jeweiligen Kultur geprägt. Unser moderner Lebensstil
weicht jedenfalls immer mehr ab von den Rahmenbedingungen, die unsere biologische
Uhr uns vorgibt. Sowohl Arbeitszeit, Freizeit als auch Schlafenszeit werden
durch soziale Faktoren bestimmt, die uns auf einen "künstlichen" 24-Stunden-Ablauf
einpendeln. So nimmt der Anteil an Schichtarbeitern immer mehr zu, die
laufend gegen den Rhythmus ihrer inneren Uhren, gegen die ständige
Übermüdung ankämpfen müssen. Sie müssen ja nicht
nur wach bleiben, wenn andere schlafen, sondern auch noch Leistung bringen.
Der menschliche Körper schaltet nun mal nachts auf Erholung um: Organe,
Kreislauf und Verdauung arbeiten auf Sparflamme.
Außerdem verbringen wir fast alle immer weniger Zeit im Sonnenlicht. - besonders im Winter. In Innenräumen,
beträgt die Lichteinstrahlung selten mehr als 500 Lux.. Ein bedeckter
Himmel im Freien hat aber immer noch bis zu 8.000 Lux und ein Sonnentag
sogar bis zu 100.000 Lux. Somit leben wir in Bezug auf unser chronobiologisches
System zu oft "im Dunkeln", und unsere circadiane Uhr, die eigentlich täglich
einer neuen "Eichung" bedarf, hat mit immensen Problemen zu kämpfen.
Auch die Sommerzeit in Deutschland, deren Einführung vor 25 Jahren
energiepolitische Gründe hatte, die sich längst als unwirksam
erwiesen haben, stellt für die meisten Menschen eine Belastung dar
für die Abstimmung zwischen Außenzeit und Innenzeit.
Häufige Reisen über mehrere Zeitzonen in Ost-West- oder West-Ost-Richtung, die unser Zeitempfinden empfindlich
stören, sind eine weitere "Zeiterscheinung" (Jetlag-Phänomen).
Aber auch das geänderte Freizeitverhalten durch Fernsehen und Computer
fordern seinen Tribut (ich berichtete).
Das Leben gegen die innere Uhr, das Chronobiologen
das "soziale Jetlag" nennen, führt fast zwangsläufig (und statistisch
nachgewiesen) zu den Zeiten der biologischen Tiefs zu Fehlern und
Unfällen, was dann als "menschliches Versagen" deklariert wird...
Ob es eine Chance gibt für den Einzelnen, mehr auf seine eigene innere Uhr zu hören?
Erinnern Sie sich?
"Durch einen gleichmäßigen Tagesrhythmus
bleibt die so genannte "innere Uhr" im Takt... "
Klein anfangen, das Mögliche sofort tun
und nicht aufschieben, heißt es auch hier...
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